Albrecht von Johansdorf

Wie sich minne hebt daz weiz ich wohl;
wie si ende nimt des weiz ich niht.
ist daz ich es inne werden sol
wie dem herzen herzeliep geschiht,
sô bewar mich vor dem scheiden got,
daz wæn bitter ist.
  disen kumber fürhte ich âne spot.
  Wie Liebe anhebt, weiß ich wohl;
wie sie endet aber, weiß ich nicht.
Wenn ich dessen inne werden soll,
wie das Herz erfährt der Liebe Licht,
so bewahr' mich vor dem Scheiden, Gott
das überbitter ist:
davor ist mir bange, ohne Spott.
    Swâ zwei herzeliep gefriundent sich
unde ir beider minne ein triuwe wirt,
die sol niemen scheiden, dunket mich,
al die wîle unz si der tôt verbirt.
wær diu rede mîn, ich tæte alsô:
verlüre ich mînen friunt,
 seht, sô wurde ich niemer mêre frô.
  "Wo zwei Herzen lieb gefreunden sich,
deren Bündnis eine Treue kennt,
niemand soll sie scheiden, dünket mich,
bis der Tod sie voneinander trennt.
Wollt es gelten mir, ich spräche so:
verlör ich meinen Freund,
seht, ich würde niemals wieder froh."
    Der ich diene und iemer dienen wil,
diu sol mîne rede vil wol verstân.
spræche ich mêre, des wurd alze vil.
ich wil ez allez an ir güete lân.
ir genâden der bedarf ich wol.
und wil si, ich bin vrô;
  und wil si, so ist mîn herze leides vol.
  Der ich dien und immer dienen will,
die soll meine Rede wohl verstehn.
Spräch' ich mehr, es wäre allzuviel.
Ihrer Güte geb ich mich zu Lehn,
Ihrer Gnade, der bedarf ich wohl.
Und will sie, bin ich froh,
und will sie, ist mein Herz des Leides voll.

Der Dichter ist aller Wahrscheinlichkeit nach identisch mit dem zwischen 1180 und 1209 urkundlich belegten gleichnamigen Dienstmann der Bischöfe von Passau. Somit diente er auch dem Bischof Wolfger von Erla, der später als Patriarch von Aquileja Dienstherr des bekannten Tugendlehrers Thomasin von Zerkläre wurde und zu dem schon in seiner Passauer Zeit auch Walther von der Vogelweide in persönliche Beziehung getreten war. Er hat an einem Kreuzzug, wahrscheinlich dem dritten, teilgenommen.
Albrecht gehört zu den Großen des hohen Minnesangs. Hervorzuheben ist die menschliche Wärme in seiner Dichtung. Auch die hohe Minne sieht er als eine Liebe an, die erwiderungsfähig ist, aber ihr Lohn ist die Steigerung des sittlichen Wertes und der »hôhe muot«, die innere Erhebung im Bewußtsein der Zugehörigkeit zur höfischen Gesellschaft.


 

Manesse-HS: Albrecht von Johansdorf
Das Bild ist eine Illustration zur Auffassung Johannsdorfs von der hohen Minne, insbesondere zu seinem Lied. »Ich vant âne huote die vil minneclîchen eine stân« (MF 93, I2). Hier wird im Zwiegespräch zwischen dem Sänger und seiner Dame die Gegenseitigkeit der hohen Minne herausgestellt und ihr ausschließlich sittlicher Lohn, den die Dame mit den Worten beschreibt: »daz ir deste werder sît und dâ bî hôchgemuot« (»daß Euer sittlicher Wert sich erhöht und damit in Euch das erhebende Bewußtsein der Teilhabe an der höfischen Daseinsform«). Für den komplexen Sinngehalt jenes Liedes hat der Maler eine Chiffre gefunden, die in ihrer Einfachheit fast genial wirkt: Die Füße der Liebenden schreiten aufeinander zu, die Häupter finden sich, die Gegenseitigkeit der Minne ausdrückend, in liebender Vereinigung, aber in der Sphäre der niederen Sinnlichkeit fliehen sich die Leiber, im ganzen eine harmonisch gerundete Einheit bildend.

(Quelle: Minnesinger in Bildern der Manessischen Liederhandschrift, hrsg. von W. Koschorreck, Insel tb 88, Frankfurt a.M. 1974
Neuhochdeutsche Übertragung aus: Deutscher Minnesang, Nachdichtung von Kurt Erich Meurer, Reclam 7857 [2], Stuttgart 1978)