Das Wesen des Minnesangs

Von Minne, Liebe und anderen schönen Sachen

Was ist Minne?

Erstaunlich! Wir reden von ihr, besingen sie, erforschen ihr Drumherum - aber wissen wir Überhaupt, was Minne ist? BV Minnesang - und wissen es nicht? Herr Walther von der Vogelweide, der mit den 12,34 EUR, falls da nicht noch ein anderer Zusammenhang war, also besagter Walther stellte sich die Frage einst auch schon:

Saget mir ieman, waz ist minne? 
weiz ich des ein teil, sô wiste ichs gerne mê. 
Der sich baz dan ich versinne,
der berihte mich durch waz si tuot sô wê. 
Minne ist minne, tuot si wol:
tuot si wô, sê enheizet si niht rehte minne. 
sus enweiz ich wie si danne heizen sol. 
Ob ich rehte râten künne
waz diu minne sî, sô sprechet denne jâ. 
Minne ist zweier herzen wünne:
teilent si gelîche, sôst diu minne dâ:
Sol aber ungeteilet sîn, sô enkan si ein herze aleine niht enthalten. 
ouwê woldestû mir helfen, vrouwe mî! 
Vrouwe, ich trage ein teil ze swaere:
wellestû mir helfen, sô hilf an der zît. 
Sî aber ich dir gar unmaere,
daz sprich endelîche: sô lâze ich den strît, 
Unde wirde ein le dic man.
dû solt aber einez rehte wizzen, vrouwe, daz dich lützel ieman baz geloben kan.
Kan mîn vrouwe sîeze siuren?
waenet si daz ich ir liep gebe umbe leit?
Sol ich si dar umbe tiuren,
daz siz wider kêre an mîne unwerdekeit?
Sô kunde ich unrehte spehen.
wê waz spriche ich ôrenlôser ougen âne? den diu minne blendet, wie mag der gesehen?

Im Grunde, müssen wir feststellen, hat er vor allem praktische Probleme mit der Minne. Festzuhalten wären jedoch: 
- gebunden an zwei Personen 
- kann Schmerzen verursachen, sollte dann aber nicht mehr Minne heißen 
- ist zweier Herzen Wonne - 
blendet. 

Das sind durchaus wichtige Beobachtungen. Aber wir können uns einer Antwort auch anders nähern: wissenschaftlich, sprachwissenschaftlich: Minne hieß im Althochdeutschen noch minna (Die grüne Minna geht jedoch nicht auf dieses minna zurück, sondern auf den Mädchennamen Minna, der Kurzform von Wilhelmine ist). Und vor noch längerer Zeit, als noch alle Germanen traut zusammen auf den Bärenfellen hockten, war da wohl von *menjô die Rede. 

Was könnte Hermann der Cherusker, in der Feldherrenlaubhütte sitzend, während die feindlichen römischen Truppen langsam durch den fast undurchdringlichen herzynischen Urwald marschierten, ihren Tod noch nicht ahnend, sondern stolz und siegesgewiß, seiner Liebsten geschrieben haben? Er riß ein Stück Bärenhaut ab und kritzelte mühsam: *thu (Lies das Wort wie ein englisches!) meina menjô. 
Aber auch Hermann war nicht der erste, der das Wort benutzte. Als nämlich noch Germanen und Griechen und Inder und Armenier usw. zusammen ihre Schafe hüteten, sprachen sie abends in ihrem Zelt zu ihrer Lebensabschnittsgefährtin ähnliches: 

*agô. mcnjohai tewe. Sie sprachen damals noch sehr primitiv: "Ich treibe. Ich denke dein." Hermann dagegen, immerhin auch römisch-lateinisch gebildet, war schon poetischer: "Du mein Gedanke." Und weil eben ihre Gedanken, von den Urzeiten an, immer und überall zuerst der Liebsten galten, kam es dahin, daß minna nicht mehr nur irgendein Gedanke war, sondern dieser besondere und alleinige und deshalb "Liebe". 

Wieso "Gedanke"? Das ergibt sich z. B. aus dem lateinischen mens "Verstand", gut bewahrt in unserem mental. Und ähnliche Bedeutungen hat *men- mit seinen Nachfolgern auch in anderen Sprachen. 
Irgendetwas ist dann passiert. Jedenfalls war Minne eines Tages derb und anstößig (wohl nichts mehr von "Gedenken", sondern pure Sinnlichkeit), und das war die Chance für die "Liebe".