Hartmann von Aue

Manger grüezet mich alsô
(der grouz tuot mich ze mâze frô),
  Mancher wohl begrüßt mich so
(mäßig macht der Gruß mich froh):
»Hartmann, gên wir schouwen
ritterlîche frouwen.«
mac er mich mit gemache lân
und île er zuo den frouwen gân!
bî frouwen triuwe ich niht vervân,
wan daz ich müede vor in stân.
  Ze frouwen habe ich einen sin:
als sî mir sint als bin ich in;
wand ich mac baz vertrîben
die zît mit armen wîben.
swar ich kum dâ ist ir vil,
dâ vinde ich die diu mich dâ wil:
diu ist ouch mînes herzen spil:
waz touc mir ein ze hôhez zil?
  »Hartmann, gehn wir schauen
ritterliche Frauen.«
Lass' er mich nur in Frieden stehn
und mag er zu den Stolzen gehn!
Gewinn glaub ich dort nicht zu sehn,
Verdruß nur bieten sie als Lehn.
Zu Edelfraun heg ich den Sinn,
daß, wie sie mir, ich ihnen bin.
Die Zeit mir zu vertreiben,
mag ich bei Mägden bleiben.
Wohin ich komm, gibts ihrer viel,
da find ich, die mich haben will,
die ist mein trautes Herzenspiel.
Was taugt mir ein zu hohes Ziel?
  In mîner tôrheit mir geschach
daz ich zuo zeiner frowen sprach
»frow, ich hân mîne sinne
gewant an iuwer minne.«
dô wart ich twerhes an gesehen.
des wil ich, des sî iu bejehen,
mir wîp in solher mâze spehen
diu mir des niht enlânt geschehen.
  Als ich in meiner Torheit sprach
zu einer Frau im Burggemach:
»Ich wandte meine Sinne,
Herrin, auf Eure Minne«,
ward schief ich von ihr angesehn.
Drum soll mein Blick, muß ich gestehn,
nach Frauen solcher Art nur gehn,
wo das mir nimmer kann geschehn.

Der Dichter des »Erec« und des »Iwein« zählt auch in der höfischen Lyrik zu den Klassikern. Er entstammt einem Ministerialengeschlecht, das wahrscheinlich im alemannischen Raum ansässig war. Er lebte vielleicht noch 1210, ist aber als Dichter schon um 1200 verstummt. Sein lyrisches Werk fällt in seine dichterische Frühzeit und gehört den Jahren zwischen 1180 und 1190 an. Es endet mit seiner Teilnahme am dritten Kreuzzuge (1189-1192). Wie er in seinem »Armen Heinrich« mit Stolz selber sagt, hat er gelehrte Bildung ge-nossen.

Das Gedicht (MF 216, 29-217, 13) bekundet bereits seine
Abkehr vom hohen Minnedienst, indem es die erfüllte Beziehung zu Frauen niederen Standes der unerfüllten hohen Minne vorzieht.


 

Hartmann von Aue
Das Bild zeigt einen Ritter im vollen Ornat auf seinem Pferd. Minnesang ist seinem Wesen nach ritterliche
Standesdichtung. Diesen Wesenszug symbolisiert das Titelbild zu Hartmanns Liedern.

(Quelle: Minnesinger in Bildern der Manessischen Liederhandschrift, hrsg. von W. Koschorreck, Insel tb 88, Frankfurt a.M. 1974
Neuhochdeutsche Übertragung aus: Deutscher Minnesang, Nachdichtung von Kurt Erich Meurer, Reclam 7857 [2], Stuttgart 1978)